Im Bonner Post Tower diskutierten auf Einladung der FAZ über 200 Teilnehmer am 11.07.2018 zum Thema „Digitale Soziale Marktwirtschaft“ über die Zukunftsmöglichkeiten von Wirtschaft und Gesellschaft.
Dr. Frank Appel, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Post DHL Group, eröffnete die Sitzung durch seinen Vortrag über die Aspekte der Digitalisierung im Dienstleistungsbereich. Die Errungenschaften der Sozialen Marktwirtschaft geraten besonders im Dienstleistungs-bereich unter Druck, da die Automatisierungsmöglichkeiten weniger ausgeprägt sind. Die Post versucht durch Prozessoptierung, durch neue Geschäftsmodelle und auch durch Veränderungen der Unternehmenskultur und der Fähigkeiten der Mitarbeiter den Anschluss zu halten bzw. auszubauen.
Einige Lösungen wurden vorgestellt:
- Der „Postbot“ lässt den Postwagen dem Zusteller auf Schritt und Tritt folgen. 150 kg Postgut können so „lastenfrei“ für und durch den Zusteller bewegt werden. Dies sorgt für eine Arbeitserleichterung, insbesondere für die älteren Mitarbeiter.
- Die Zustellung in den Kofferraum des Fahrzeuges ist schon Realität. Allerdings müssen einige Fahrzeughersteller noch Hausaufgaben machen.
- Der „Streetscooter“ ist angenommen im Markt (6.000 sind „auf der Straße“). Branchenfremde fragen ebenfalls diese Lösung an.
Durch die zunehmende Digitalisierung von Arbeit und Prozessen sieht Dr. Appel eine Produktivitätsverbesserung von rd. 10 bis 20 %. Dieser Mehrertrag soll an Kunden, an Mitarbeiter und an die Shareholder entsprechend „verteilt“ werden.
Dr. Marc Bovenschulte, ausgebildeter Biologe, leitet das iit in Berlin (ein Institut, dass u.a. die Veränderungen durch Digitalisierung in der Arbeitswelt erforscht). Er zeigte auf, wie die Digitalisierung die Arbeitswelt verändert. Beispielhaft wurden die Pflegeberufe genannt. Hier soll eine Entlastung der Mitarbeiter durch „Pflege 4.0“ erfolgen.
30 % Kompetenzen gehen alle 4 Jahre verloren, so Bovenschulte. Daher können relevante Systeme als Mentor oder Tutor den betroffenen Menschen dienen und Wissen konservieren und vermitteln. Es ist allerdings auch erkennbar, dass im mittleren Bereich der Arbeitswelt Stellen wegfallen. Zunehmende Aufgaben wird es in der Steuerung und der Entwicklung von intelligenten Lösungen und Systemen geben. Das schafft wiederum auch neue Berufsfelder, hingegen fallen einige (alte) weg.
Bis mindestens 2030 wird der Mensch weiterhin im Mittelpunkt der Arbeitswelt stehen. Daher ist es sehr wichtig, die Befähigungen der Mitarbeiter aufzurüsten und ständig weiter zu entwickeln.
Bitkom-Präsident Achim Berg mahnte in seinem Diskussionsbeitrag, dass wir unbedingt Geschwindigkeit aufnehmen müssten, damit die Digitale Soziale Marktwirtschaft überhaupt gelingen kann.
Es folgte eine Diskussionsrunde zum Thema „Digitale Bildung“ mit Vertretern verschiedener Disziplinen (Katja Suding, stellv. Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, BDI-Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Lang und Thomas Zander, Geschäftsführer des Sozialverbands VdK NRW).
Die Ausgaben für Forschung seien mit rd. 3 % nur bei den großen Unternehmen in dieser Größenordnung zu sehen. Nachholbedarf gibt es generell bei vielen Unternehmen. Übereinstimmend war die Meinung, dass das E-Government noch sehr unterentwickelt ist. Staat, Land, Städte und Kommunen sowie öffentliche Einrichtungen hätten hier selbst einen sehr hohen Handlungsbedarf.
In 2016 wurden etwa 2 Mio. Solo-Selbständige ermittelt. Auch in diesem Zusammenhang wird die betriebliche und die private Altersversorgung zukünftig immer mehr in den Mittelpunkt rücken.
In der Mittagszeit gab es zu ausgewählten Schwerpunktthemen moderierte, rege Diskussionen mit interessierten Teilnehmern. Einige Beispiele:
Forum 1: Innovationen und Fehlerkultur: Regeln sind relevant, aber eben nicht zu sehr auszuprägen. Es gilt, früher anzufangen zu denken und zu „innovieren“.
Forum 2: Bildung: Bei Lehrern wird zu viel Bürokratieaufwand gesehen. Weiterhin fehlt oftmals die Digitalkompetenz bei den Lehrkräften. Zur Frage „Wer macht alle fit für die neuen Technologien?“ wurde als ein Lösungsansatz die Bildung von Patenschaften genannt, so dass Lehrer von den Schülern lernen können (why not!?).
Das Anschaffen und Bereitstellen von Laptops und weiterem Equipment reicht in der Regel nicht. Die digitale Kompetenz ist zu fördern, aber auch das systemische Denken und Handeln.
Forum 3: Finanzierung: Arbeit ist zunehmend neu zu definieren. Menschen sind fit zu machen für die neuen Anforderungen des Arbeitslebens. Es wurde auch über Wertschöpfungsabgaben diskutiert, als alternative Besteuerung und Finanzierung der öffentlichen Hand.
Forum 4: Soziale Sicherung: Sozialkompetenz und Lernkompetenz sind auf- und auszubauen. Flexiblere Arbeitszeitmodelle sind zu finden, um den zunehmenden Bedarf der Pflege bei Krankheit und zunehmendem Alter durch Angehörige zu ermöglichen.
Insgesamt eine gelungene Veranstaltung, die für uns Teilnehmer Anregungen und neue Gedankenansätze ermöglicht haben. Bei einer nächsten Einladung bin ich gern wieder dabei.
Ihr
Harald Friese
Friese Management GmbH